Eigenverwaltung bei Insolvenz: Relevanz und Voraussetzungen

Die Eigenverwaltung nach § 270 ff der Insolvenzordnung ermöglicht es Schuldnern, die Kontrolle über ihr Unternehmen zu behalten und aktiv an der Sanierung mitzuwirken. Im Rahmen eines Antrags auf Eigenverwaltung müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. 

Zahlungsunfähigkeit

Die Zahlungsunfähigkeit stellt einen kritischen Zustand dar, in dem ein Unternehmen – nicht mehr in der Lage ist, fälligen finanziellen Verpflichtungen zu erfüllen. Die rechtliche Definition der Zahlungsunfähigkeit findet sich im § 17, Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO). Demnach gilt ein Unternehmen als zahlungsunfähig, wenn es nicht mehr in der Lage ist, seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Dies impliziert einen dauerhaften Mangel an Liquidität; das Unternehmen verfügt nicht über ausreichende Geldmittel, um seine offenen Rechnungen zu begleichen. Zu den Geldmitteln zählen hierbei nicht nur Bargeldbestände, sondern auch alle Vermögenswerte, die in Geld umgewandelt werden können. Der Bundesgerichtshof präzisiert diese Definition weiter und stellt fest, dass bereits dann von Zahlungsunfähigkeit gesprochen werden kann, wenn weniger als 10 Prozent der bestehenden Schulden offenbleiben und diese innerhalb von 21 Tagen nicht beglichen werden können. 

Um festzustellen, ob ein Unternehmen tatsächlich zahlungsunfähig ist, erfolgt eine umfassende Beurteilung seines Finanzstatus. An einem festgelegten Stichtag werden die verfügbaren Geldmittel mit den fälligen Verbindlichkeiten verglichen. Sollte sich hierbei eine Liquiditätslücke ergeben, ist es notwendig, einen Finanzplan zu erstellen, der auch zukünftige Einkünfte berücksichtigt. Ein Schuldner gilt als zahlungsunfähig, wenn diese Liquiditätslücke mehr als 10 Prozent seiner Schulden ausmacht und innerhalb der vom Bundesgerichtshof vorgegebenen Frist von drei Wochen nicht geschlossen werden kann. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Geschäftsführer oder Eigentümer regelmäßig die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens überprüfen. Obwohl es seitens des Gesetzgebers keine spezifischen Vorgaben hinsichtlich der Häufigkeit dieser Überprüfungen gibt, sollten in Krisensituationen engere Intervalle gewählt werden. In solchen Fällen ist es ratsam, Fachanwälte für Insolvenzrecht hinzuzuziehen, um rechtliche Risiken zu minimieren und fundierte Entscheidungen treffen zu können.


§ 17 Zahlungsunfähigkeit

(1) Der allgemeine Eröffnungsgrund für ein Insolvenzverfahren ist die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Diese stellt einen zentralen Aspekt im Rahmen der Insolvenzordnung dar und ist entscheidend für die Einleitung entsprechender rechtlicher Schritte.

(2) Ein Schuldner gilt als zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, seinen fälligen Zahlungspflichten nachzukommen. Dies bedeutet, dass er die vertraglich vereinbarten Zahlungen nicht mehr fristgerecht leisten kann. In der Regel wird davon ausgegangen, dass Zahlungsunfähigkeit vorliegt, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Eine solche Einstellung der Zahlungen kann sowohl durch eine temporäre als auch durch eine dauerhafte finanzielle Schieflage bedingt sein und erfordert oft eine sorgfältige Prüfung der finanziellen Situation des Unternehmens. Es ist wichtig zu beachten, dass die frühzeitige Feststellung von Zahlungsunfähigkeit entscheidend für die Wahl geeigneter Sanierungs- oder Restrukturierungsmaßnahmen ist.


Abgrenzung der Zahlungsunfähigkeit zur Zahlungsstockung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seiner Rechtsprechung klare Kriterien für die Feststellung einer Zahlungsunfähigkeit im Sinne von § 17 Abs. 2 Satz 1 der Insolvenzordnung (InsO) formuliert. Demnach wird eine Zahlungsunfähigkeit grundsätzlich dann angenommen, wenn der Schuldner am Stichtag nicht in der Lage ist, mindestens 10 Prozent seiner fälligen Verbindlichkeiten mit den vorhandenen liquiden Mitteln oder den voraussichtlich innerhalb der nächsten drei Wochen generierbaren Mitteln zu decken. Dieses Kriterium dient als objektiver Maßstab, um die finanzielle Stabilität eines Unternehmens zu bewerten.

Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass eine Insolvenz aufgrund von Zahlungsunfähigkeit nicht vorliegt, wenn der Schuldner die bestehende Liquiditätslücke kurzfristig beheben kann. Dies könnte beispielsweise durch die Einwerbung zusätzlicher finanzieller Mittel oder durch den Verkauf von Vermögenswerten geschehen. Der BGH erkennt also an, dass kurzfristige Maßnahmen zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen möglich sind und somit eine Zahlungsunfähigkeit nicht automatisch gegeben ist.

Es gibt jedoch auch Ausnahmefälle, in denen trotz einer Überschreitung der Liquiditätslücke von mehr als 10 Prozent keine Zahlungsunfähigkeit festgestellt wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn mit „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke in naher Zukunft vollständig oder nahezu vollständig beseitigt werden kann. In solchen Fällen könnte den Gläubigern unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls zugemutet werden, auf eine Begleichung ihrer Forderungen zu warten.

Drohende Zahlungsunfähigkeit

Der Paragraph 18 der Insolvenzordnung (InsO) behandelt die drohende Zahlungsunfähigkeit als einen wichtigen Eröffnungsgrund für das Insolvenzverfahren. Ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann demnach auch dann gestellt werden, wenn der Schuldner in einer Situation ist, in der er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, seinen bestehenden Zahlungspflichten nachzukommen. Dies bedeutet, dass bereits eine ernsthafte Gefahr besteht, dass die finanziellen Mittel des Unternehmens nicht ausreichen werden, um die fälligen Verbindlichkeiten zu begleichen.

Im rechtlichen Kontext wird von drohender Zahlungsunfähigkeit gesprochen, wenn eine solche Prognose über die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens für den Zeitraum von in der Regel 24 Monaten aufgestellt wird. Dieser Prognosezeitraum ist entscheidend, da er es ermöglicht, die zukünftige finanzielle Entwicklung des Unternehmens realistisch einzuschätzen. Eine solche Einschätzung kann durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden, wie etwa die aktuelle wirtschaftliche Lage des Unternehmens, bestehende Verträge und Verpflichtungen sowie externe wirtschaftliche Rahmenbedingungen.

Besonders relevant wird dieser Paragraf im Falle von juristischen Personen oder rechtsfähigen Personengesellschaften. Hierbei ist zu beachten, dass der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens von allen Mitgliedern des Vertretungsorgans oder allen persönlich haftenden Gesellschaftern beziehungsweise Abwicklern gestellt werden muss. Sollte dies nicht der Fall sein, so findet Absatz 1 nur Anwendung, wenn die Antragsteller ausdrücklich zur Vertretung der juristischen Person oder Gesellschaft berechtigt sind. Diese Regelung stellt sicher, dass nur autorisierte Personen im Namen des Unternehmens handeln können und somit die Interessen aller Gesellschafter gewahrt bleiben.


§ 18 Drohende Zahlungsunfähigkeit

(1) Der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch den Schuldner stellt einen entscheidenden Schritt dar, da auch die drohende Zahlungsunfähigkeit als Eröffnungsgrund anerkannt wird. Dies bedeutet, dass bereits bevor eine tatsächliche Zahlungsunfähigkeit eintritt, der Schuldner die Möglichkeit hat, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen, um seine finanziellen Schwierigkeiten zu adressieren.

(2) Eine drohende Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, seinen bestehenden Zahlungspflichten zum Zeitpunkt der Fälligkeit nachzukommen. Diese Prognose basiert in der Regel auf einem Zeitraum von 24 Monaten, innerhalb dessen die finanzielle Situation des Unternehmens analysiert wird. Es ist von großer Bedeutung, dass diese Einschätzung sorgfältig vorgenommen wird, um rechtzeitig geeignete Schritte zur Sanierung einzuleiten und möglicherweise eine Insolvenz abzuwenden.

(3) Im Falle einer juristischen Person oder einer rechtsfähigen Personengesellschaft muss der Antrag auf Insolvenz von allen Mitgliedern des Vertretungsorgans, allen persönlich haftenden Gesellschaftern oder allen Abwicklern gestellt werden. Sollte dies nicht der Fall sein, findet Absatz 1 nur Anwendung, wenn der oder die Antragsteller befugt sind, die juristische Person oder Gesellschaft rechtlich zu vertreten. Diese Regelung stellt sicher, dass Entscheidungen über die Einleitung eines Insolvenzverfahrens in Übereinstimmung mit den internen Strukturen und Verantwortlichkeiten der jeweiligen Gesellschaft getroffen werden.


Überschuldung

Im Rahmen des deutschen Insolvenzrechts spielt die Überschuldung eine zentrale Rolle als Eröffnungsgrund für das Insolvenzverfahren, insbesondere bei juristischen Personen wie Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) oder Aktiengesellschaften (AG). Überschuldung tritt ein, wenn das Vermögen des Schuldners nicht mehr ausreicht, um die bestehenden Verbindlichkeiten vollständig zu decken. Dies bedeutet konkret, dass die Summe aller Vermögenswerte, die der Schuldner besitzt, geringer ist als die Gesamtheit seiner Schulden.

Ein entscheidendes Kriterium zur Beurteilung der Überschuldung ist die Prognose über die Fortführung des Unternehmens. Wenn es nach den gegebenen Umständen überwiegend wahrscheinlich ist, dass das Unternehmen innerhalb der nächsten zwölf Monate fortgeführt werden kann, wird die Überschuldung nicht als gegeben angesehen. Diese Regelung ermöglicht es Unternehmen, die sich in einer vorübergehenden finanziellen Schieflage befinden, eine Sanierung in Eigenverwaltung anzustreben und gegebenenfalls ihre wirtschaftliche Situation zu stabilisieren.

Besondere Beachtung gilt den Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus vergleichbaren rechtlichen Handlungen. Solche Forderungen sind gemäß § 39 Abs. 2 InsO im Insolvenzverfahren nachrangig gegenüber anderen Forderungen, die in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 aufgeführt sind. Dies bedeutet, dass diese Forderungen bei der Berechnung der Verbindlichkeiten im Sinne von Satz 1 nicht berücksichtigt werden dürfen. Diese Regelung dient dem Schutz der Gläubiger und soll verhindern, dass Gesellschafterdarlehen zu einer bevorzugten Behandlung von Gesellschaftern im Insolvenzfall führen.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass bei einer rechtsfähigen Personengesellschaft, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, die Bestimmungen zur Überschuldung entsprechend Anwendung finden. Dies gilt jedoch nicht in Fällen, in denen zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der zumindest ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person darstellt. Diese Regelungen sind von großer Bedeutung für die rechtliche Einordnung und das Vorgehen im Insolvenzverfahren und verdeutlichen die Komplexität des Insolvenzrechts sowie die Notwendigkeit einer fundierten rechtlichen Beratung in Krisensituationen von Unternehmen.


§ 19 Überschuldung

(1) Bei juristischen Personen stellt die Überschuldung einen wichtigen Eröffnungsgrund für ein Insolvenzverfahren dar. Dies bedeutet, dass die finanzielle Situation des Unternehmens so gravierend ist, dass eine Eröffnung des Verfahrens notwendig wird, um die Interessen der Gläubiger zu wahren und eine geordnete Abwicklung der Verbindlichkeiten zu ermöglichen.

(2) Überschuldung ist gegeben, wenn das Vermögen des Schuldners nicht mehr ausreicht, um die bestehenden Verbindlichkeiten vollständig zu decken. Eine Ausnahme von dieser Regelung besteht jedoch, wenn die Fortführung des Unternehmens unter den gegebenen Umständen innerhalb der nächsten zwölf Monate überwiegend wahrscheinlich ist. In dieser Bewertung sind Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder ähnliche Rechtsansprüche nicht zu berücksichtigen, sofern zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner gemäß § 39 Abs. 2 eine Nachrangigkeit im Insolvenzverfahren vereinbart wurde. Diese Nachrangigkeit bezieht sich auf die Forderungen, die in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 aufgeführt sind und stellt sicher, dass bestimmte Gläubiger im Insolvenzverfahren bevorzugt behandelt werden.

(3) Für rechtsfähige Personengesellschaften gilt, dass die Absätze 1 und 2 entsprechend Anwendung finden, sofern kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist. Diese Regelung dient dazu, die rechtlichen Rahmenbedingungen für verschiedene Gesellschaftsformen zu harmonisieren. Eine Ausnahme besteht jedoch in dem Fall, dass unter den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft vertreten ist, bei der mindestens ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person darstellt. In solchen Fällen können abweichende Regelungen zur Anwendung kommen, um den spezifischen Gegebenheiten der Gesellschaft Rechnung zu tragen.