Zugang zur Eigenverwaltung erschwert? Was mit dem SanInsFoG besser geworden ist und was nicht
Mit dem am 1. Januar 2021 in Kraft getretenen Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs und Insolvenzrechts (SanInsFoG) gibt es einschneidende Änderungen für die Eigenverwaltung. Sofern also ein Antrag auf Eigenverwaltung erfolgreich sein soll, müssen diese neuen Anforderungen beachtet werden.
VON THOMAS PLANER
Die Parameter aus dem früheren Grundsatz, das Unternehmen muss für die Eigenverwaltung „sanierungsfähig und sanierungswürdig“ sein, hat der Gesetzgeber nun genauer definiert. Herzstück ist dabei die sogenannte Eigenverwaltungsplanung.
Demnach muss der Unternehmer als Bestandteil seines Antrags auf Eigenverwaltung zusätzlich eine Eigenverwaltungsplanung (§ 270a InsO n.F.) erarbeiten, um zu beweisen, dass er für eine ordnungsgemäße Eigen-verwaltung vorbereitet ist.
Die Eigenverwaltungsplanung umfasst Folgendes:
- einen Finanzplan für die Dauer von sechs Monaten,
- eine Detaillierung der Finanzierungsquellen, um die Betriebsfortführung im Eigenverwaltungsverfahren und die Deckung der Kosten des Verfahrens in diesem Zeitraum sicherzustellen (§ 270a Abs. 1 Ziffer 1 InsO n.F.),
- ein Sanierungskonzept für die Durchführung des Insolvenzverfahrens (§ 270a Abs. 1 Ziffer 2 InsO n.F.),
- eine Darstellung zum Stand der Verhand lungen mit den Gläubigern sowie Dritten (§ 270a Abs. 1 Ziffer 3 InsO n.F.),
- eine Darstellung, wie der Unternehmer seine insolvenzrechtlichen Pflichten erfüllen wird (§ 270a Abs. 1 Ziffer 4 InsO n.F.), sowie
- eine Darstellung der Mehr- oder Minderkosten, die im Rahmen der Eigenverwaltung im Vergleich zum Regelverfahren voraussichtlich entstehen werden (§ 270a Abs. 1 Ziffer 5 InsO n.F.).
Grundsätzlich ist diese Neuregelung zu begrüßen, objektiviert diese doch die Antragstellung und grenzt die Interpretation der Begrifflichkeiten „sanierungsfähig und sanierungswürdig“ soweit ein, dass nunmehr objektivere Entscheidungen der Insolvenzgerichte zuerwarten sind. Gleichwohl hat der Gesetzgeber es verabsäumt, in diesem Zusammenhang wesentliche Punkte noch deutlicher zuklären beziehungsweise eventuellem Missbrauch vorzubeugen.
Gutachtenerstellung
Die Erfahrung des Verfassers zeigt, dass bereits mehrere Gerichte sich außer Stande sehen, selbst über den Antrag auf Eigenverwaltung zu entscheiden, und hierfür einen Gutachter einsetzen. Grundsätzlich ist das zu begrüßen, wenn nicht der Gesetzgeber es versäumt hätte, zu bestimmen, dass der beauftragte Gutachter, unabhängig vom Ergebnis des Gutachtens im weiteren Verfahrensverlauf. weder als Sachwalter, wichtiger aber noch als Insolvenzverwalter bestellt werden darf. Zu groß ist die Versuchung, über ein Gutachten lukrative Regelinsolvenzverfahren zu „akquirieren“, was in der Praxis schon stattgefun den hat. Hier muss der Gesetzgeber unbedingt nachbessern, da diese Regelung bereits seit Einführung der Eigenverwaltung überfällig ist.
Finanzplan für die Dauer von sechs Monaten
Diese Finanzplanung ist absolut zu begrüßen. Allerdings wird in die Finanzplanung zwischenzeitlich eine „integrierte Planung“ hineininterpretiert. Diese ist aus Sicht des Verfassers vielfach nicht zu leisten. Warum nicht? Die Erfahrung zeigt, dass der Unternehmer, ob es sich nun um ein kleines oder ein großes Unternehmen handelt, in fast allen Fällen nach wie vor erst sehr spät die Möglichkeit der Sanierung über die Insolvenz in Eigenverwaltung sucht. Die Angst vor dem Wort „Insolvenz“ tut hier ihre Wirkung. Insofern ist die Zeit der Antragstellung sehr begrenzt und würde durch die Anforderung einer integrierten Planung noch weiter eingegrenzt, zumal die Aussage kraft gegenüber einer ausführlichen wochenbasierten Liquiditätsplanung nicht entscheidend besser ist. Sanierer, Sachwalter und Gericht können aus einer entsprechenden Liquiditätsplanung den Erfolg einer Eigenverwaltung erkennen. Konsequenzen aus weltweiten Krisen wie Corona oder dem Ukrainekrieg sind ohnehin nur selten absehbar und damit planbar.
Finanzierungsquellen
Wesentliche „Finanzierungsquellen“ in der Eigenverwaltung, wenn keine Massekredite in Anspruch genommen werden, sind die geschäftsüblichen Erlöse aus der Geschäftstätigkeit. Wie sollen diese verifiziert werden? Die Kunden eines insolventen Unternehmens sind ohne hin ob der Insolvenz beunruhigt. Diese werden kaum schriftliche Statements abgeben, ob sie (unter allen Umständen) die Schuldnerin weiterhin beauftragen. Gerade größere Konzerne lernen zurzeit den Umgang mit insolventen Zulieferern. Insofern wird hier kaum ein Konzern schriftliche Statements abgeben, und falls doch, sind die Entscheidungsprozesse derart lang, dass sie den Beantragungszeitraum sprengen würden. Hier geht es nur mit Fingerspitzengefühl über ausführliche Gespräche mit den Auftraggebern im Vorfeld zur Antragstellung als vertrauensbildende Maßnahme.
Darstellung der Mehr- oder Minderkosten
Auch diese Regelung ist ein großes Stück praxisfremd. Eine Prognose über die Verfahrenskosten im Zuge der Antragstellung abzugeben ist überaus unsubstantiiert – zu viele Faktoren sind noch unbekannt, die Arbeitsaufteilung zwischen Sanierer und Sachwalter noch nicht klar und damit die Zuordnung von Zu und Abschlägen, zumal der Sachwalter nach dem Willen des Gesetzgebers nicht vorbefasst sein soll und somit eine Koordination hierüber entfällt. Die auch überfällige Neuordnung wäre, in Anlehnung an die InsVV Vergütungen festzulegen, die aber für den Sanierer ebenfalls gelten und berücksichtigen müssen, dass der Sanierer in nahezu allen Eigenverwaltungen deutlich mehr leistet als der Sachwalter.
FAZIT
Die weitere Konkretisierung der Eigenverwaltung ist zu begrüßen, auch wenn der Gesetzgeber einiges nicht bis zum Ende durchdacht hat. Zudem wäre es empfehlenswert, den Sanierer bei der nächsten Novellierung mit an Bord zu nehmen und nicht nur den Insolvenzverwalter. Will der Gesetzgeber wirklich, dass die gewährte Eigenverwaltung zu einer früheren Insolvenzanmeldung der Unternehmer führt und der Unternehmer das Sanierungswerkzeug „InsO“ rechtzeitig nutzt, wird er nicht umhinkommen, auch Schuldner aspekte zu berücksichtigen; vielleicht gerade in der Erkenntnis, dass eine gute Sanierung in nahezu allen Fällen bisher nachweislich zu höheren Quoten für den Gläubiger geführt hat. Darum geht es doch letztlich: den Schaden für den Gläubiger und die Volkswirtschaft zu reduzieren – und dabei sind Gläubigerwille und Schuldnerwille oftmals deckungsgleicher, als es der Gesetzgeber bisher wahrgenommen hat.